
Aus der Zeit gefallen, aber voll im Takt: Historische Motorräder, wie sie heute keiner mehr baut, waren am Samstag im Rahmen der alljährlichen „Spökenkieker-Fahrt“ auf den schönsten Wegen im Nordkreis zu erleben.
Insgesamt 22 Teilnehmer der 32. Internationalen Pionierfahrt für Motorräder bis 1927 aus der Region, verschiedenen Teilen Deutschlands und den Niederlanden sowie zahlreiche Besucher erlebten am Samstag in Greffen Zweiradnostalgie „pur und On Tour“. Dabei war das Greffener Motorradmuseum Beckmann an der Beelener Straße 31 Start und Ziel für die traditionelle Spökenkieker-Fahrt. Die Veranstaltung, organisiert von Christa Beckmann, Jörg Ehrich und weiteren Unterstützern, richtete sich an Besitzer und Fans historischer Motorräder, die ihre Leidenschaft für die alten Schätzchen aus der Welt der Motorradhistorie teilen. Dieses besondere Zusammenkommen hat ihren Ursprung in der Idee von Heiner Beckmann, einem ehemaligen renommierten Motorrad-Oldtimerexperten aus Greffen, der im November 2014 im Alter von 68 Jahren verstorben ist. Er brachte die Inspiration für die Rallye einst nach seiner Rückkehr von der englischen Motorrad-Veteranausfahrt „Pioneer Run“ mit. Sein Enthusiasmus und seine Liebe zu historischen Motorrädern lebt seitdem mit allen Teilnehmer weiter, die sich jedes Jahr versammeln, um das bemerkenswertes „Erbe“ für die Zweiradnostalgie erlebbar zu machen. Und was da im Rahmen der Internationalen Pionierfahrt übers Land tuckerte, war mehr als altes Eisen, denn die sehenswert rollenden Raritäten, technischen Früchtchen aus Erfinderzeiten und einstigen Innovationsträger der frühen Motorisierung waren zwar charmant anzusehen, aber im Gebrauch oftmals knorrig und sensibel wie Diven.
Die Teilnehmer begaben sich mit ihren zum Teil liebevoll restaurierten, zwischen 1899 und 1927 gebauten, Motorrädern, bei strahlenden Sonnenschein auf eine gelungene Rundreise durch den Norden des Kreises Gütersloh. Eine wunderbare Art und Weise die herrliche Landschaft Ostwestfalens zu genießen. Dabei wurde so mancher Teilnehmer regelrecht in die Vergangenheit katapultiert, als sie auf ihren Maschinen durch die malerischen Straßen und idyllischen Dörfer des Nordkreises rollten. Eine besondere Art und Weise, die Landschaft Ostwestfalens aus technikhistorischer Perspektive zu erfahren.
Wenngleich jedes der teilnehmenden Motorräder sehenswert war, stach diesmal eine französische Aster Tricycle von Matthias Welle (56) aus Bielefeld besonders hervor. Das Dreirad wurde 1899 gebaut. Als ältestes Motorrad der Spökenkieker-Rallye führte es mit der Startnummer 1 das Fahrerfeld an. 2005 als Karton voller Einzelteile gekauft, setzte Matthias Welle das Gefährt im Laufe der Jahre kontinuierlich zusammen.
„Weil das Aster Tricycle sehr selten ist und nur wenige Maschinen davon gebaut wurden, musste ich oftmals Ersatzteile per Hand anfertigen“, so Matthias Welle. Fertigstellung war schließlich 2023. „Das lag aber auch daran, dass ich nicht kontinuierlich daran gebaut habe, sondern eher als Nebenprojekt. Mitgebracht hatte Matthias Welle auch seinen Vater Rudolf Welle. Der fidele 90-Jährige kannte Heiner Beckmann noch als aktiven Motorradenthusiasten. „Heiner war nicht nur einer meiner guten Freunde und wunderbarer Kumpel, er war auch ein exzellenter Mechaniker, der die Liebe zu den alten Motorrädern exzessiv gelebt hat. Ich weiß noch genau, als er die Idee hatte, dieses Anwesen hier in Greffen zu kaufen. Es war nachts, nachdem wir die englische Tour ‚London to Brighton Veteran Run‘ vor gefühlt 1000 Jahren gefahren sind. Auf der Fähre nachts um 1 Uhr hat Heiner plötzlich zu mir gesagt, dass er einen alten Bauernhof kaufen kann. Und wenn ich den bekomme, mache ich ein Motorradmuseum auf“, erinnerte sich Rudolf Welle.
Im Sonnenschein ein echter Hingucker war auch eine rote Indian mit 1000 Kubik aus dem Jahr 1913. Mit ihrem markanten Design und ihrem für damalige Verhältnisse 8 PS starken Motor fiel sie auf. Ein Federrahmen, Kettenantrieb und Handkupplung zählten zu den fortschrittlichen Merkmalen der Zeit. Das Gefährt stammt aus dem Besitz von Gerd Wellmann aus Halle/Westfalen, der zusammen mit seinem Freund und Fahrer Robert Lindhorst aus Borgholzhausen in Greffen dabei war. Gerd Wellmann kaufte die Maschine vor neun Jahren unrestauriert. Zusammen mit Robert Lindhorst setzte er die Maschine instand. Weil Gerd Wellmann mit einer von den Dr. Carl Brandt Motorenwerken in Berlin gebauten Cambra aus dem Baujahr 1924, die erst vor einem Monat gekauft hat, an der Spökenkieker-Fahrt teilgenommen hat, fuhr Robert Lindhorst mit der Indian.
An der 33. Spökenkieker-Fahrt nahmen eine Vielzahl historischer Motorräder teil, von denen jedes eine eigene technische Geschichte verkörperte. So war Burkhard Pollmüller mit einer 2,75 PS starken Satorius aus dem Jahr 1923 dabei. Dieses Modell verfügte über einen 180-ccm-Zweitaktmotor mit Zweigang-Schwenkradgetriebe und Riemenantrieb.
Weitere Teilnehmer waren Uwe Goedereis aus Löhne mit einer Triumph aus dem Jahr 1910, Johannes Hermwille aus Verl mit einer DKW aus dem Jahr 1927, Matthias Süß aus Bielefeld mit einer Herko von 1923, Kurt Harries aus Syke mit einer Royal Ruby aus dem Jahr 1916 und Rainer Büssing aus Dülmen mit einer Campion aus dem Jahr 1916.
(Text- und Bildquelle: Gabriele Grund)