Mehr als 500 Teilnehmer setzen bei Mahnwache in Harsewinkel ein starkes Zeichen der Solidarität für die Ukraine

Über 500 Menschen aus Harsewinkel, Marienfeld und Greffen folgten dem gemeinsamen Aufruf von SPD, Grünen, CDU, FDP, ortsansässigen Glaubensgemeinschaften und vielen Vereinen mit einer Mahnwache für den Frieden ein starkes Zeichen der Solidarität für die Ukraine zu setzen. Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren sendeten mit einem großen Peace-Zeichen aus Kerzenlichtern, Ukraine-Fahnen, Luftballons, Plakaten sowie Rede- und Musikbeiträgen klare Zeichen für Freiheit & Frieden sowie Demokratie & Solidarität! Harsewinkel bekennt vor dem blau-gelb angestrahlten Rathaus Farbe für die Ukraine und gegen Putins verbrecherischen Angriffskrieg.

Der evangelische Pfarrer Jörg Eulenstein, Ogün Yilmaz von der türkisch-islamischen DITIB-Gemeinde und Pastoralreferent Matthias Piontek aus der katholischen St. Lucia-Gemeinde richteten in kurzen Reden und Gebeten Friedens- und Solidaritätsappelle an alle Menschen in der Welt und die Musiker Frank Sperber (Mundharmonika) und Werner Runge (Gesang/Gitarre) sendeten mit dem Lied „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen eine eindeutige Botschaft an alle Anwesenden. Singer & Songwriter Philipp Göhring, der sich bereits weit über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen als Musiker machen konnte, forderte dazu auf, Kriege nie als Lösung in Betracht zu ziehen und trotz der aktuellen Lage positiv zu bleiben. Mit diesen Aussagen und seinen Interpretationen der Stücke „Froh dabei zu sein“ (Philipp Poisel) und „Ich werd die Welt verändern“ (Revolverheld) mit Gitarre und Mikrofon traf er die vielen Zuhörer direkt ins Herz.

Auch Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide (SPD) fand deutliche Worte zur Situation der Menschen in der Ukraine und ihrer Not. Sichtlich bewegt stellte Sie die Hilfe und die Solidarität in den Mittelpunkt ihres Appells, die wir alle den betroffenen Ukrainerinnen und Ukrainern nun zukommen lassen müssen. Schnelle und praktische Hilfe für Geflüchtete und vor allem auch Durchhaltevermögen seien nun gefragt. Unser Stadtoberhaupt dankte auch allen, die sich schon im Rathaus gemeldet haben, um ihre Hilfe anzubieten und sie bittet um weitere Hilfsangebote aus der Zivilbevölkerung sowie Wohnraum zum Anmieten, den die Stadt Kindern und Frauen anbieten möchte, die sich derzeit auf der Flucht befinden.

Die Rede von Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide im Wortlaut:

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wir wollen mit dieser Mahnwache zeigen, dass wir mitfühlen mit den Menschen in der Ukraine und zur Hilfe bereit sind. Harsewinkel nimmt Geflüchtete auf und wird sich um Menschen in Not kümmern, die hier Zuflucht finden.

Wir zeigen mit dieser Mahnwache, dass wir auf Seiten der Ukraine stehen, die feige und grundlos von Putin überfallen wurde. Und wir verbeugen uns vor dem Mut der Menschen in der Ukraine, die für die Werte Einigkeit und Recht und Freiheit, die auch unsere Werte sind, ihr Leben einsetzen.

Wir stehen heute auch hier, um uns gegenseitig zu stützen; uns Trost und Mut zuzusprechen, weil die Bilder unerträglich sind.

Was wir kaum im Bild ertragen können, müssen nicht weit entfernt Menschen erleiden, darunter Kranke, Behinderte, Alte, die kaum eine Chance auf Flucht haben. Es ist herzzerreißend, dass Familien sich trennen müssen, weil Männer und viele Frauen zurückbleiben, um für ihr Land zu kämpfen, für ihre Freiheit.

Der Krieg ist uns so nah, räumlich und emotional, weil die Menschen so aussehen, wie wir, so leben, wie wir. Deshalb fragen wir uns, was würde ich machen? Würde ich den Mut aufbringen, mich den Panzern schutzlos in den Weg zu stellen? Die russischen Soldaten zu fragen: Was wollt Ihr hier? Sie aufzufordern, nachhause zu gehen? Wären wir bereit, uns von den Liebsten zu trennen, um für europäische Grundwerte einzustehen, notfalls mit dem Leben?

Seit fast 77 Jahren ist der Krieg in Deutschland vorbei. Hier stehen im Wesentlichen die Nachkriegsgeneration und deren Kinder und Kindeskinder. Auch nach so langer Zeit darf der Wert von Demokratie, Freiheit, Recht und Frieden nicht geringgeachtet werden. Deshalb unterstützt Stadt Harsewinkel mit Projekten und Veranstaltungen, dass die Erfahrungen des Krieges und der Nazi-Diktatur nicht in Vergessenheit geraten. Eckhard Möller, unser ehemaliger Stadtarchivar, hat vor genau 20 Jahren ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter nach Harsewinkel geholt. Die meisten waren hier in der Landwirtschaft eingesetzt und stammten aus der Ukraine. Mit der Dolmetscherin, die damals die Kontakte herstellte, ist Eckhard Möller noch in Kontakt. Sie schilderte ihm nun ihre Flucht vor dem Krieg mit dem jüngsten Sohn in die Karpaten. Sie kaufte die Fahrkarte in die Westukraine mit zitternden Händen, weil Mann, Mutter und die erwachsene Tochter noch in Kiew sind. Die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen wären jetzt weit über 90 Jahre alt. Wir wissen nicht, ob sie nochmals einen Krieg erleben müssen. Einige lebten im Donezk.

Wenn der Ruf lauter wird, dass russische Volk möge sich erheben gegen Putin, so sollten wir uns bewusst sein, dass Deutschland von der Nazi-Diktatur befreit werden musste durch Briten, Franzosen, Amerikaner und auch Russen. Die Gräber der sowjetischen Kriegsgefangenen in Greffen, darunter Russen und Ukrainer, sind ein Zeichen dafür. Deutschland hat es nicht aus eigener Kraft geschafft, umso mehr hoffe ich auf das russische Volk. Möge es Putins Kriege beenden, damit Frieden werden kann.

Nicht nur die Ukraine überzieht Putin mit Bomben. Es leben schon seit einigen Jahren Menschen in Harsewinkel, weil sie vor russischen Luftangriffen in Syrien fliehen mussten. Ich hoffe, dass Kiew nicht das Schicksal von Aleppo teilen muss. Schon 2016 hat die damalige Kanzlerin Angela Merkel Russland und Iran für Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung in der syrischen Stadt Aleppo verantwortlich gemacht.

Den Angriff auf die Ukraine wollen Putin und Lawrow damit rechtfertigen, dass die Nato zu nahe herangerückt sei und damit die Sicherheit Russlands bedrohe. Und in Syrien? Nein, Herr Putin begeht Kriegsverbrechen, in Syrien und in der Ukraine. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.

Ich nutze die Gelegenheit all denjenigen zu danken, die sich schon im Rathaus gemeldet haben, weil sie helfen wollen. Es dürften bisher rund 30 bis 40 Menschen aus der Ukraine zu uns nach Harsewinkel geflüchtet sein. Weitere sind bereits angekündigt. Alle haben zunächst Unterkunft bei Verwandten und Freunden gefunden. Es ist gut und richtig, wenn die Geflüchteten hier bei Landsleuten zunächst ankommen können.

Die Stadt sucht aber Wohnraum, den wir mieten können, wenn es irgendwann bei Freunden und Verwandten zu eng wird. Wir brauchen Kinderbettchen, weil die 15, die wir gestern gekauft haben, heute schon vergeben sind. Es kommen viele Frauen mit Kindern.

Heute denken wir auch an die Partnergemeinde in Lettland, Mazsalaca. Die baltischen Staaten und Polen fürchten sich zu Recht vor dem aggressiven und unberechenbaren Nachbarn. Die Bürgermeisterkollegin, Pamela Westmeyer hält die Kontakte der Stadt in die Partnergemeinde. Übermitteln Sie bitte von hieraus die besten Grüße und Wünsche.

Liebe Harsewinklerinnen und Harsewinkler, wir sind bunt und kommen aus aller Herren Länder. Viele haben ihr zuhause in Harsewinkel und die Heimat in Ländern, die noch näher am Kriegsgeschehen liegen. Die direkten Nachbarländer der Ukraine nehmen zunächst viele Flüchtlinge auf: Moldawien, Rumänien, Slowakei und Polen. Über 1600 Menschen in Harsewinkel haben eine dieser Staatsangehörigkeiten und wissen vermutlich aus Berichten aus der Heimat besser als wir, wie viele Menschen unterwegs sind und in welcher Verfassung sie sind.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Wir müssen einen langen Atem haben, in unserer Bereitschaft zu helfen. Wir müssen nach oben, also Richtung Land und Bund signalisieren, dass wir dauerhaft zur Solidarität bereit sind, dass wir Kosten tragen, Leiden und Einschränkungen aufgrund Wirtschaftssanktionen erdulden, weil es um mehr geht, als wir mit Geld bezahlen können. Kanzler Scholz, die gesamte Bundesregierung und die größte Oppositionspartei, die weitreichende Beschlüsse gefasst haben, brauchen Signale, dass die Bevölkerung das mitträgt. Es geht nicht um eine „Blut, Schweiß und Tränen Rede“, aber wir dürfen nicht in Halbherzigkeit verharren. Wir müssen standhaft bleiben, weil die Ukrainer und Ukrainerinnen das für ihren mutigen Widerstandskampf verdient haben. Und den Russinnen und Russen unter uns rufe ich zu: Das ist nicht Euer Krieg, das ist Putins Krieg. Er ist durch nichts gerechtfertigt. Kommt oder bleibt an unserer Seite. Harsewinkel steht hier für Frieden in und Solidarität mit der Ukraine. Vielen Dank!

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